„Dekarbonisierung am Bodensee – wie ist das bis zum Jahr 2040 möglich?“: Dieser Frage ging eine kurzweilige Podiumsdiskussion zum Start der internationalen Wassersport-Ausstellung Interboot nach. Gesprächspartner aus Politik, Wirtschaft und Wassersport beleuchteten aus unterschiedlichen Blickwinkeln die Chancen und Hürden der kommenden 16 Jahre, waren sich jedoch alle prinzipiell einig: Das Klimaziel ist erreichbar und sollte mit seinen dafür nötigen Maßnahmen bei allen Beteiligten positiv besetzt werden. Unerlässlich dabei ist der deutliche Ausbau der Ladeinfrastruktur, mittelfristig eine verbesserte Verfügbarkeit des Klimadiesels HVO 100 (Hydrotreated Vegetable Oil) sowie die Einbindung der Wassersportlerinnen und -sportler in die Thematik. Zudem ist die kontinuierliche Weiterentwicklung technischer Innovationen von großer Bedeutung.
Umdenken durch positive Herangehensweise fördern
Dr. Steffen Häbich, Bereichsleiter Special Interest beim ADAC, ist überzeugt: „Die angestrebte Energie- und damit Antriebswende bis 2040 ist eine große Chance, vor allem die jüngere Generation, die ein ausgeprägteres Bewusstsein für die Umwelt- und Klimaproblematik hat, für eine saubere E-Motorisierung zu begeistern“, und betont: „Die Phase jetzt muss stark genutzt werden, die Verbraucher mitzunehmen und unmittelbare Lösungen aufzuzeigen. Bei dem gesamten Prozess dürfen wir auch keine Wassersportler verlieren, denn das können wir uns gesamtwirtschaftlich nicht leisten.“ Ziel sei es vielmehr, ein Verbraucher-Umdenken zu erreichen und über Förderungen als Anschub nachzudenken. Diese Meinung vertritt auch Philipp Franke vom Verkehrsministerium Baden-Württemberg: „Alle Beteiligten sollten das Ziel positiv besetzen. Es ist ein gutes Gefühl, emissionsfrei Boot zu fahren. Die Freizeitschifffahrt ist ein emotionales Anliegen der Bevölkerung, wir sollten sie beim Wandel nicht überfordern.“ Franke stellt aber zugleich fest: „Das vorgegebene Ziel ist keine Insellösung für den Bodensee, sondern an die EU-Klimaziele angelehnt. Vermutlich wird es ohne regulatorische Maßnahmen nicht zu erreichen sein.“
Ausbau der E-Ladeinfrastruktur forcieren
Nach Erhebungen des ADAC mit der EBI (European Boating Industry) nutzen derzeit erst zwei Prozent der Boote Elektroantriebe, die zwar laut Häbich weitere Vorteile wie Wartungsarmut mit sich bringen, jedoch durch die fehlende Ladeinfrastruktur ausgebremst werden. Diese Ansicht vertritt auch Karsten Stahlhut, Geschäftsführer des Bundesverband Wassersportwirtschaft e.V. (BVWW): „Der landseitige Ausbau der E-Ladeinfrastruktur sollte beschleunigt werden, ist jedoch sehr komplex. Bei den Kleinbooten stellen schon viele Eigner auf E-Außenborder um, denn eine Batterieladung reicht für die meisten unterwegs vollkommen. Rechtzeitige Nachlademöglichkeiten sind dafür elementar.“
Klimadiesel HVO als Wegbegleiter für klimafreundliche Schifffahrt
Im Fokus der Podiumsteilnehmer stand zudem der Einsatz des Klimadiesels HVO. Nico Winkler von der Präg Energie GmbH & Co. KG sieht einen Schlüssel in der Umsetzung der Klimaziele in der Schifffahrt den Vertrauensaufbau gegenüber HVO: Bereits jetzt könne mit Klimadiesel HVO100 ein Teil des weltweiten Bedarfs gedeckt und auch weiter ausgebaut werden. „Der Klimadiesel stinkt nicht, raucht nicht schwarz, verbrennt etwas leiser und hat bessere Kälte- und Lagereigenschaften. Außerdem wird nicht nur bis zu 90 Prozent weniger CO2 ausgestoßen, sondern auch weit weniger andere Schadstoffe“, betont Winkler. Auch die Entwicklung von eFuels für Benzinmotoren sei in vollem Gange, aber momentan noch bei weitem nicht marktreif.
Die Vorteile von HVO sieht auch Ulrich Schäfer von Brunswick und gibt Einblicke in Details: „Da die Kunden Garantie und Gewährleistung wollen, sind derzeit umfangreiche Prüfungen im Gange, die noch nicht abgeschlossen, aber vielversprechend sind.“ Langfristig betrachtet setzt Schäfer auf die kontinuierliche Weiterentwicklung von Elektroantrieben. „Wir sollten die Diskussion technologie-offen führen, hier muss man auf dem Gaspedal bleiben.“ Nico Winkler resümiert treffend: „Nicht der Motor, sondern der Kraftstoff ist das Problem.“ Und Karsten Stahlhut betont: „Um so früher wir marktreife Treibstoffe haben, desto eher werden sie verwendet.“